Ästhetische Medizin in der Schweiz: 50% unqualifizierte Praktiker laut Swissmedic

Was sagen Sie zu den Ergebnissen der Swissmedic, dass jeder zweite Anbieter ohne die nötige Qualifikation injiziert?
Überrascht Sie dieses Ergebnis?

Der Bericht von Swissmedic nennt Inspektionen in 82 Kliniken, Arztpraxen und Kosmetikstudios, geht jedoch nicht auf eine genaue Aufschlüsselung der einzelnen Kategorien ein. Kosmetikstudios sind per Definition nicht befugt, medizinische Eingriffe durchzuführen – es überrascht deshalb kaum, dass dort Auffälligkeiten festgestellt wurden.

Zudem geht aus dem Bericht hervor, dass die kantonalen Behörden ihre Kontrollen primär auf Meldungen aus der Bevölkerung und Recherchen in sozialen Netzwerken stützten. Mit anderen Worten: Es wurden gezielt Einrichtungen untersucht, bei denen bereits ein starkes Verdachtsmoment bestand.

Daher ist es nicht verwunderlich, dass 93 % der unerlaubten Anwendungen – wegen fehlender professioneller Qualifikation der Durchführungsperson – in Kosmetikstudios festgestellt wurden.

Der Bericht hebt hingegen hervor, dass Kliniken und Arztpraxen meist über die erforderlichen Qualifikationen verfügen und ihre gesetzlichen Vorgaben im Grossen und Ganzen einhalten. Das ist beruhigend – allerdings bleibt noch Raum für Verbesserungen.

Man darf daraus ableiten, dass insbesondere Kosmetikstudios das Problem darstellen und ein Risiko für die Bevölkerung sind. Dies ist ein Missstand, den unser Verband, die VSZAM, seit langem anprangert. Wir haben die Behörden wiederholt gewarnt und freuen uns nun, dass sie dieses Thema ernst nehmen und den Markt regulieren, um die Sicherheit der Patienten zu schützen.

Wie häufig erleben Ihre Mitglieder Fälle, in denen sie fehlerhafte Filler‑Behandlungen korrigieren müssen?

Glücklicherweise handelt es sich bei den eingesetzten Produkten meist um temporäre Substanzen. Wenn die Folgen einer falschen Injektion rein ästhetischer Natur sind, lassen sie im Allgemeinen nach einiger Zeit nach. Viele Patientinnen schämen sich oder zögern, sich zu beschweren, und warten einfach, bis sich die Situation von allein verbessert. Einige verbleiben mehrere Monate mit Asymmetrien oder einem teilweise gelähmten Gesicht.

Wir behandeln regelmässig Patienten mit Hyaluronidase – einem Enzym zur Auflösung von Hyaluronsäure –, um solche ästhetischen Fehlbehandlungen zu korrigieren. Diese Behandlung ist jedoch anspruchsvoll und teuer – häufig deutlich kostspieliger als die preiswerten Injektionen, die das Problem erst verursacht haben.

Letztlich sind es oft gerade die Patientinnen mit geringerem Budget, die sparen wollten und am Ende mehr bezahlen müssen.

In den schwerwiegendsten Fällen können unsachgemässe Injektionen Infektionen, Nekrosen oder sogar Erblindungen nach sich ziehen. Diese Fälle landen häufig in Notaufnahmen – ihre Häufigkeit lässt sich daher kaum exakt beziffern.

Die Patientenstelle Zürich meldete einen Anstieg von Beschwerden im Zusammenhang mit Hyaluron‑Fillern.
Haben Sie ähnliche Erfahrungen
– und wie erklären Sie sich diese Zunahme?

Ja, wir bestätigen diesen Trend ebenfalls. In den letzten Jahren haben sich neue Verfahren etabliert, etwa der sogenannte „Hyaluron‑Pen“, ein Gerät, das als nadelfreie Alternative zur klassischen Hyaluronsäure‑Injektion im nicht‑medizinischen Kosmetikbereich vermarktet wird.

Dieses Gerät hat zahlreiche Probleme verursacht, da Tiefe und Injektionsort nicht kontrollierbar sind.

In den Händen von nicht­ärztlich geschultem Personal führten diese Methoden zu einer Vielzahl von Komplikationen.

Welche Qualifikation ist aus Sicht Ihres Verbands erforderlich, um Filler‑Injektionen sicher durchführen zu können?
Reichen die bestehenden kantonalen Kontrollen und gesetzlichen Vorgaben aus?

Der gesetzliche Rahmen definiert klar die erforderlichen Qualifikationen für solche Eingriffe. Was bislang fehlte, war die konsequente Überwachung der Einhaltung dieser Vorgaben. Die Gesundheits­behörden kontrollieren zwar Kliniken und Arztpraxen – die Kosmetikstudios aber fielen bis vor kurzem weitgehend ausserhalb ihres Zuständigkeitsbereichs.

Als unser Verband ein schärferes Regime für diese Einrichtungen forderte, hiess es häufig, dass diese nicht unter die medizinische Aufsicht fielen. Heute aber beobachten wir mit Freude, dass sich die Haltung geändert hat und die Behörden nun auch im Bereich der Kosmetikstudios intervenieren.

Halten Sie die kantonalen Kontrollen für ausreichend – oder bedarf es einer schärferen Überwachung?

Diese Kontrollen stellen einen wichtigen ersten Schritt dar, den wir ausdrücklich begrüssen. Personen, die ästhetische Medizin ohne die erforderliche Qualifikation erbringen, müssen wissen, dass sie mit ernsthaften Konsequenzen rechnen.

Dennoch bestehen noch Defizite in der Prävention und der Aufklärung der Bevölkerung – jeder Patient sollte klar erkennen können, was medizinische Behandlung ist und was nicht.

Wie erklären Sie sich, dass trotz klarer Gesetzeslage so viele Anbieter illegal agieren?

Bis vor Kurzem gab es kaum Kontrollen oder Sanktionen: Man sah nichts, man fand nichts.

Wenn es viel zu gewinnen und nichts zu verlieren gibt, steigt die Versuchung zur Nicht­konformität. Die Gewinnmarge war hoch, das Risiko gering. Wir hoffen sehr, dass die aktuellen Inspektionen einen Wendepunkt markieren und als deutliche Warnung für jene dienen, die die rote Linie überschreiten könnten.

Aktuelle Nachrichten in Verbindung mit ACMES

Die Presse berichtet

In den Städten gibt es immer mehr Zentren für ästhetische Medizin.

Mit der Eröffnung neuer spezialisierter Zentren in den Städten wurde der Zugang zu diesen Dienstleistungen demokratisiert, wodurch sich die Praktiken der Schönheitspflege veränderten und neue Markttrends entstanden.

Mit der Teilnahme von Fabrice Pfulg, Präsident von ACMES.

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Die Komplikationen reichen von Infektionen bis hin zur Erblindung.

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Schönheitsbehandlungen mit Injektionen von Füllstoffen sind auf dem Vormarsch.

Einem Bundesbericht zufolge hält sich jeder zweite überprüfte Anbieter nicht an die Vorschriften. Patienten wie Lara M. leiden unter den Folgen.

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